Auf dieser Seite stellen verschiedene Autist:innen anonymisiert ihre Erfahrungen mit dem Thema Beziehung zur Verfügung.

Zeichnung mit vielen Verästelungen - schwarz-weiss - sehr gradlinig
Entweder oder - und sehr gestresst. So erleben manche Autist:innen Situationen, in denen sie in Beziehung sozial interagieren sollen.
Zeichnung mit vielen bunten Linien - wild durchmischt - keine Struktur - rund und geschwungen.
Entspannt und kreativ - frei und gelöst. So wünschen sich Menschen grundsätzlich, dass Beziehung sein soll.

Jessica – 44 Jahre


Diese zwei Bilder haben mir einmal sehr geholfen in einer Auseinandersetzung mit meinem Partner. Als es immer anstrengender wurde und ich immer weniger in Worte fassen konnte, wie es in mir aussieht, habe ich diese Bilder geholt und auf den Tisch gelegt. Ich zeigte auf das bunte Bild und sagte: "Ich weiss, Du möchtest gerne, dass ich jetzt so bin. Frei, entspannt und kreativ!" Und dann zeigte ich auf das schwarze-weisse Bild und sage: "Ich bin aber im Moment so - total gestresst und festgelegt und entscheidungsunfähig." - Danach konnten wir dann recht schnell in Ruhe klären; er hatte verstanden, wie es in mir aussieht und ich hatte mich in meiner Sprache ausgedrückt. Seitdem habe ich immer Papier und Stift bei mir, wenn ich in Beziehungen oder Situationen mit sozialer Interaktion - auch im Arbeitskontext - bin, denn das zeichnen und kritzeln beruhigt mich und hilft mir, gelassener mit allem umzugehen.

Weitere Erfahrungsberichte

Blickkontakt

Tina – 47 Jahre
 

Ich bemerke, dass ich in einem Gespräch eine gewisse Zeit brauche, bis ich dem Gegenüber hin und wieder kurz in die Augen schauen kann. Um meine Gesprächspartner nicht zu irritieren, erkläre ich in der Regel kurz, dass ich mit der Autismus-Spektrum-Störung diagnostiziert bin und daher Zeit brauche, bis ich angemessenen Augenkontakt herstellen kann.

Der offensichtliche Mangel an zwischenmenschlichem Interesse bei Menschen mit Autismus ist nicht auf Desinteresse zurückzuführen. Vielmehr zeigen die Ergebnisse, dass dieses Verhalten ein Weg ist, um eine unangenehme übermäßige Erregung durch die Überaktivierung in einem bestimmten Teil des Gehirns zu verringern.

Bitte 5 Minuten Alleine-Zeit

Alex – 20 Jahre
 

Mit meinem Arbeitgeber habe ich eine Abmachung getroffen, dass ich fünf Minuten Alleine-Zeit bekomme, wenn er mir einen überraschenden Entscheid mitteilen musste.

Ich sollte zu Coronazeit spontan für einen Kollegen eine Aufgabe übernehmen, die mir nicht besonders liegt. Die Information darüber hat grossen Stress ausgelöst. Nachdem ich aber einige Minuten Alleine-Zeit bekommen hatte, um in Ruhe darüber nachzudenken und die Konsequenzen zu überlegen, die das nach sich ziehen würde, konnte ich mich beruhigen und dann meinem Vorgesetzten sagen, dass ich diese Aufgabe übernehmen könne.

Verständigung im Alltag

Anne – 40 Jahre
 

Mein Kollege, auch mein Partner oder Freund:innen machen immer mal wieder ironische Bemerkungen oder stellen rhetorische Fragen.

Es hat lange gebraucht, aber mittlerweile erkenne ich recht gut, wenn es so gemeint war. Ich erkenne es zwar, doch ich kann nicht entsprechend reagieren. Also habe ich mir für diese Situtation eine Standardreaktion zurechtgelegt. Ich grinse, zucke mit den Schultern und sage: "Hey, N.N. (entsprechender Name), war das ironisch/rhetorisch? Weisst' doch, dass das bei mir verschwendet ist, weil ich das mit meiner neurologischen Verfasstheit nicht checke." Die Reaktion ist dann meistens: "Ach stimmt, sorry, ich meinte..." 

Verein

Katharina – 24 Jahre
 

Ich bin seit einem halben Jahr in einem Verein. Das hilft gegen Einsamkeit. Bis ich den Verein gefunden habe, der mir zusagt, habe ich zwei Jahre lang gesucht. Davor habe ich mich nicht getraut.


Kleider kaufen - ein Horror!

Lea – 35 Jahre
 

Kleidereinkauf ist für mich Horror. Aus ganz verschiedenen Gründen.

Daher überlege ich mir zuerst ganz genau, was ich brauche. Dann gehe ich in den Laden, in dem ich bevorzugt Kleidung kaufe. Wenn es möglich ist, suche ich nach einer Verkäuferin, die mich schon einmal beraten hat. Ansonsten suche ich mir gezielt eine Verkäuferin aus, die mir nett erscheint, grüsse sie freundlich und erkläre ihr, dass Kleidung kaufen für mich eine Herausforderung ist (den Grund sage ich nicht immer). Ich sage ihr dann, was ich brauche und bitte Sie, mir erst die Sachen zu geben und mich dann in Ruhe probieren zu lassen. Ich sage auch, dass ich! mich melde, wenn ich noch etwas brauche. So vermeide ich, dass sie immer wieder überraschend zur Kabine kommt und nachfragt. 

Rückmeldung einer neurotypischen Partnerin eines Autisten

Melanie - 28 Jahre
 

Auf diesem Weg möchte ich mich nochmals ganz herzlich bedanken für die Anregungen, an die wir seither oft im Alltag denken. Die wertschätzende Beschreibung der Lernfelder für beide Seiten und die konkreten Beispiele waren für uns sehr hilfreich.

Daher überlege ich mir zuerst ganz genau, was ich brauche. Dann gehe ich in den Laden, in dem ich bevorzugt Kleidung kaufe. Wenn es möglich ist, suche ich nach einer Verkäuferin, die mich schon einmal beraten hat. Ansonsten suche ich mir gezielt eine Verkäuferin aus, die mir nett erscheint, grüsse sie freundlich und erkläre ihr, dass Kleidung kaufen für mich eine Herausforderung ist (den Grund sage ich nicht immer). Ich sage ihr dann, was ich brauche und bitte Sie, mir erst die Sachen zu geben und mich dann in Ruhe probieren zu lassen. Ich sage auch, dass ich! mich melde, wenn ich noch etwas brauche. So vermeide ich, dass sie immer wieder überraschend zur Kabine kommt und nachfragt. 

Freund:innen

Beat – 31 Jahre
 

Ich hätte gerne Freund:innen. Aber weil ich nicht weiss, wie anstrengend das ist, bleibe ich lieber alleine. Wie man herausfinden kann, ob es zu anstrengend ist, weiss ich noch nicht. Auch nicht was ich dagegen tun könnte.


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Der VSP Verein Sozialprojekte ist Träger vom Projekt Beziehung mit Autismus.

Beziehung mit Autismus